Ökologische Bildung mit Kitas, Schulen und Kommunen
Die ökosoziale Transformation der Gesellschaft kann nur gelingen, wenn Bildungseinrichtungen und Kommunen zusammenarbeiten und alle Bürger:innen von klein auf einbeziehen. Von Fahrradbussen, die Kinder zur Kita begleiten, bis hin zu Konsumgenossenschaften am Gymnasium: Fabiola Mora und Germán Llerena schildern ihre Erfahrungen am Beispiel der katalanischen Städte Vic und Sant Cugat del Vallès, in deren Verwaltungen sie tätig sind.
Wissenschaftler:innen warnen seit vielen Jahren vor den Folgen des Klimawandels: steigende Temperaturen, Verlust der Artenvielfalt, extremes Wetter, langfristige Klimaveränderungen, Krankheiten und Todesopfer ... Bisher haben Regierungen und Bürger:innen diesen Warnungen nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wir schauen weg, in der Hoffnung, dass es uns nicht treffen wird. Dabei ist der Klimawandel eines der großen Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, und er wird das Erbe sein, das wir künftigen Generationen hinterlassen. Er ist eng verknüpft mit unserer Art des Wirtschaftens und unserer Kultur, und er ist auch die Quelle vieler Probleme. Wir können nicht mehr von einer Verlangsamung dieses Wandels sprechen – geschweige denn davon, ihn noch aufzuhalten. Wir werden uns darauf einstellen müssen, mit langen Trockenperioden, steigenden Temperaturen und Wetterextremen zu leben. Auf globaler Ebene hat das die COVID-19-Pandemie deutlich gemacht, auf regionaler Ebene das Sturmtief Gloria, das im Januar 2020 in Spanien und Südfrankreich wütete und 14 Menschenleben kostete. Wir brauchen einen kollektiven Wandel und einen fundamentalen Wechsel in der Art und Weise, wie wir Menschen mit der Umwelt umgehen.
Wir haben zu spät damit begonnen, diesen Katastrophen strukturell entgegenzutreten. Was uns bleibt, ist, möglichst zu verhindern, dass sie sich wiederholen. Doch selbst jetzt, inmitten des Klimanotstands, reden wir immer noch, schieben auf, schauen weg oder leugnen die Beweise, anstatt das Problem so anzugehen, wie alle Notfälle angegangen werden müssen: mit energischen Anpassungsmaßnahmen.
Global denken, regional handeln
Der zweite Nationale Kongress zur ökologischen Bildung (Congrés Nacional d‘Educació Ambiental), der 2021 in Katalonien stattfand, bot einen (Online-)Rahmen für Reflexion und Beteiligung. Gemeinderäte kamen zu Wort, Schulnetzwerke, andere Bildungseinrichtungen sowie nationale und staatliche Netzwerke. Die Vertreter:innen dieser Organisationen schilderten ihre jeweils spezifische Situation und einigten sich auf eine Erklärung, die den Übergang vom individuellen Handeln zu einer kollektiven Veränderung fordert. Dabei wurde besonders die Rolle kommunaler und regionaler Verwaltungen unterstrichen.
Die regionale Ebene bildet den unmittelbaren Erfahrungsbereich der Menschen und ist daher der Bereich, in dem ökologische Bildung am deutlichsten spürbare Veränderungen bewirken kann. Die Krisen der letzten Jahre, besonders die Pandemie, haben uns das Regionale als einen Raum wiederentdecken lassen, in dem Handeln möglich und notwendig ist, wenn wir auf der größeren Ebene Einfluss nehmen wollen. Die Kommunen spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, einen Wandel zu fördern, der unweigerlich zu einer tiefgreifenden Veränderung des Wirtschaftssystems führt.
Um das Leben und den Alltag in den Mittelpunkt zu stellen, bedarf es eines starken Bürgerengagements, das von den Kommunen unterstützt wird. Auf diese Weise kann die Logik verankert werden, dass wir die Grundbedürfnisse aller Menschen solidarisch befriedigen müssen, ohne auf einen globalen Systemwechsel zu warten Transformative Erfahrungen schaffen. Eine der pädagogischen Herausforderungen der ökologischen Bildung besteht darin, Lehr- und Lernprozesse anzuregen, die transformative Erfahrungen hervorbringen. Wir denken dabei an regionale, gemeinschaftsbezogene Initiativen, die individuelles und kollektives Handeln fördern. Bildungseinrichtungen müssen in fruchtbarem Kontakt mit anderen ansässigen Akteur:innen stehen, um Veränderungen herbeizuführen – und zwar nicht als zusätzliche Aufgabe, sondern als Hauptstrategie für das Lernen. Den Raum für transformative Erfahrungen zu öffnen, ist also eine pädagogische Aufgabe!
Kollektive, die an einem Bewusstseinswandel arbeiten, Bildungsgemeinschaften und andere partizipative Initiativen waren schon immer die besten Orte, um Bürger:innen zu transformativen Aktionen zu bewegen. Die Kommunen müssen solche Initiativen anerkennen und fördern, und die Ansichten aller daran Beteiligten müssen gehört und einbezogen werden. So können transformative Erfahrungen in der Gemeinschaft entstehen, die sowohl das Ökologische als auch das Soziale umfassen. Die Kollektive müssen über klar definierte Beteiligungsstrukturen verfügen und einen lebhaften Austausch mit anderen Akteur:innen, z.B. der Stadtverwaltung, pflegen. Ökologische Bildung ist ein Medium, das diese partizipative Begegnung wie kaum ein anderes ermöglicht – denn die Umwelt geht uns alle an.
Wissenschaft und Bildung: eine fruchtbare Symbiose
Der Klimawandel ist zwar ein wichtiges Thema, weil er jeden von uns betrifft, aber er ist auch komplex. Offensichtlich ist er eine Auswirkung des globalen Wirtschaftssystems, hat jedoch auch viele direkte Ursachen und weist oft widersprüchliche Wechselwirkungen auf: zwischen Wetterereignissen, Luft- und Meeresströmungen, dem Leben in Städten und auf dem Land, dem Wohlergehen von Tieren und Pflanzen, veränderten Bedingungen für den Anbau von Lebensmitteln usw. Es ist nicht immer leicht zu wissen, was man mit einem solchen Ungetüm anfangen soll. Aus diesem Grund ist die Wissenschaft unverzichtbar für das Verständnis all dieser Phänomene und eine kritische Einordnung der vielfältigen Erfahrungen, des Wissens und der Glaubenssätze, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Es ist notwendig, die gemeinsame Reflexion aller Akteur:innen in die Wissens-, Forschungs- und Bewertungsprozesse einzubeziehen, um Veränderungspotenzial zu stimulieren. Ein gutes Beispiel dafür sind Citizen-Science-Initiativen: Bürger:innen beteiligen sich an wissenschaftlicher Forschung, indem sie Daten erheben, etwa zur Verbreitung bestimmter Tierarten.
Solche Projekte sind einerseits wegen ihrer Möglichkeit zur Partizipation hervorzuheben, andererseits wegen ihrer Fähigkeit, für Umweltkrisen zu sensibilisieren und zum Handeln aufzurufen. Wenn Menschen feststellen, dass die Biodiversität in ihrer Region drastisch abnimmt, rüttelt sie das in der Regel mehr auf als Diagramme über das weltweite Artensterben.
Den Nerv treffen
Es ist erwiesen, dass Lernen intensiver ist, wenn Emotionen im Spiel sind. Ökologische Bildung ist ein besonders geeigneter Bereich, um über eigene innere Beteiligung Handlungsfähigkeit zu lernen. Gleichzeitig sollten Ängste und Ohnmachtsgefühle nicht kultiviert werden. Sie stehen Veränderungen eher im Weg. Statt Katastrophenszenarien heraufzubeschwören und über Social Media in alle Welt zu verbreiten, sollten wir diese Kommunikationstechnologien dazu nutzen, ökologisches Wissen und unsere Erfahrungen damit zu teilen. Medien, Kunst, Kultur und Technologie können sehr mächtige Werkzeuge für einen Wandel sein. Sie dienen dazu, Bürger:innen in den Aufbau einer neuen Kultur der Nachhaltigkeit einzubeziehen und einen kollektiven sozialen Wandel herbeizuführen.
Fabiola Mora ist Pädagogin und arbeitet im Stadtrat von Vic; Germán Llerena arbeitet an der Autonomen Universität Barcelona sowie im Stadtrat von Sant Cugat del Vallès. Beide Kommunen liegen in Katalonien. Germán Llerena und Fabiola Mora engagieren sich im Netzwerk der katalanischen Schulen für Nachhaltigkeit (XESC).
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 05/23 lesen.