Nachhaltige Bildung ist globale Verantwortung
Wir befinden uns in einer Klimakrise, die alle Lebewesen auf diesem Planeten betrifft. Sie erfordert einen Wandel in der Art und Weise, wie wir mit der Natur und miteinander umgehen. Die spanische Ökologin und Anthropologin Yayo Herrero erläutert, welche grundlegende Rolle Bildung und Kreativität bei diesem Wandel spielen und warum »Business as usual« keine Option ist.
Leben mit dem Klimanotstand
Im letzten Jahr wurde der Bericht »Die Grenzen des Wachstums« von Donella Meadows 50 Jahre alt. Bereits 1972 warnte Meadows vor dem Glauben an ein permanentes Wirtschaftswachstum auf einem Planeten, der physische Grenzen hat. Doch ihr Bericht wurde kaum beachtet. Heute befindet sich die Menschheit in einer multidimensionalen und globalen Krise. Sie bedroht alle Ökosysteme, die Leben überhaupt ermöglichen. Energie- und Rohstoffvorkommen gehen zurück. Viele Menschen verarmen, ihr Zugang zu grundlegenden Ressourcen ist nicht gesichert. Dadurch schränkt der Klimanotstand die Menschenrechte großer Teile der Weltbevölkerung ein. Er gefährdet das bloße Überleben vieler Lebewesen – auch vieler Menschen.
Der Klimawandel ist das am wenigsten kontrollierbare von allen Problemen, mit denen die Menschheit aktuell konfrontiert ist. Er steht in engem Zusammenhang mit der Ressourcen- und Energiekrise und den großen politischen Verteilungskonflikten, die damit verbunden sind, der massiven Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden, dem Verlust der biologischen Vielfalt, extremen Wetterereignissen und anhaltenden Dürren. Es handelt sich um ein globales Phänomen, das uns alle betrifft. Gesellschaft und Wirtschaft sind von der Umwelt abhängig. Daher beeinflusst die ökologische Krise beides und bringt zusätzliche Probleme und Spannungen hervor. Ganze Volkswirtschaften hängen von Wirtschaftssektoren ab, die intensiv die schwindenden und bzw. oder umweltverschmutzenden Ressourcen nutzen.
An vielen Orten werden Energie, Wasser und Nahrungsmittel knapp. Oft wird soziale Reproduktionsarbeit, die hauptsächlich von Frauen geleistet wird, immer mehrausgebeutet. Des Weiteren greifen Prekarität und Gewalt verschiedener Art um sich. Es mehren sich struktureller Rassismus, erzwungene Migration, Kriege und Vertreibungen. Wir leben an einem historischen Scheideweg. Es ist dringend notwendig, die globale Erwärmung zu bekämpfen, aber auch, sich an ihre bereits nicht mehr umkehrbaren Auswirkungen anzupassen. Oft heißt es, dass die Menschheit sowohl verantwortlicher Akteur als auch Opfer ist. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass nur ein Teil der Menschen jahrzehntelang einen sehr ressourcenintensiven und umweltverschmutzenden Lebensstil gepflegt und davon profitiert hat. Große Teile der Bevölkerung haben in weitaus geringerem Maße zum Klimanotstand beigetragen, sind von den Verheerungen jetzt aber am stärksten betroffen.
Die Ziele für Nachhaltigkeit sind längst formuliert
Im September 2015 verabschiedeten die Staats- und Regierungschef:innen der Welt eine Erklärung mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Sie sind ein Aufruf zu universellem Handeln, um die Armut zu beenden, den Planeten zu schützen, den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel entschlossen anzugehen und das Leben der Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern. Es handelt sich um eine Agenda mit umfassenden Zielen und Vorgaben, die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Doch abgesehen von Erklärungen und den Bemühungen einiger Institutionen und sozialer Bewegungen ist bis heute wenig passiert. Es sind kaum Schritte in Richtung einer Zukunft getan worden, in der niemand zurückbleiben muss.
Das eigentliche Problem besteht in der mangelnden Bereitschaft, sich mit den strukturellen Konflikten zu befassen, in denen unsere Gesellschaften gefangen sind. Wir halten an einer Religion des ewigen Wachstums fest – obwohl der Planet seine Grenzen überschritten hat und sich längst in menschengemachtem Wandel befindet. Die Krise ist offensichtlich, und trotzdem werden gesellschaftliche Ursachen und Lösungen von den meisten Menschen nicht wahrgenommen. Eine ökologisch ungebildete Gesellschaft reagiert zwar auf Pandemien, Stürme, Brände oder Überschwemmungen, ist aber nicht in der Lage, politische Konsequenzen zu ziehen, um das Überleben der Menschheit zu gewährleisten.
Yayo Herrero ist eine spanische Anthropologin, Autorin und Professorin an der Universidad Nacional de Educación a Distancia. Sie ist Mitglied verschiedener Genossenschaften und Grassroot-Organisationen, die sich für ein nachhaltiges Zusammenleben und erneuerbare Energien einsetzen. Yayo Herrero gilt als eine der einflussreichsten Vertreterinnen des Ökofeminismus und Ökosozialismus in Europa.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa heute 05/23 lesen.