Jesica: Meine größte Angst ist, Griechenland verlassen zu müssen, meine Freunde und alles, was ich hier habe, zu verlieren. Es gibt doch die Wirtschaftskrise, und meine Eltern finden keine Arbeit. Dann werde ich meine Freunde und die Schule verlieren, und gerade die liebe ich sehr...
Polyhronis: Mich quält, einen Beruf zu finden, den ich mag. Ich weiß, dass die Jobs, die mein Vater hat, nicht gut bezahlt werden. Man muss viel arbeiten, und man verletzt sich leicht dabei. Ich will keine Arbeit, die ich nicht mag, für die man abgehärtet sein muss und die einen müde macht… Wenn ich zur Oberschule gehe, wo man nicht geschlagen wird und so, dann werde ich leicht eine gute Arbeit finden, denke ich.
Ambra: Ich fürchte, dass ich nach Albanien muss, weil mein Vater hier keine Arbeit hat. Mich quält der Gedanke, ob ich dort eine griechische Schule finde. Hoffentlich ist da eine. Ich fürchte mich vor der Sprache. Ich war schon zwei Jahre lang in Albanien, weiß aber nicht, ob ich es wieder schaffe. Später, zum Studium, kann ich dann ja zurückkommen nach Griechenland.
Melissa: Meine größte Angst ist, dass ich keine Arbeit finde, wenn ich nicht studiere.
Elena: So geht es mir auch, wenn ich nicht studiere oder wenn ich nicht das studieren kann, was ich will.
Melissa: Aber vielleicht haben wir gar nicht das Geld dazu.
Elena: Oder wir müssen sogar wegziehen.
Diese Textauszüge stammen aus dem Film »Sprich laut, hab keine Angst«, den Zwölfjährige mit Unterstützung ihrer Lehrer an der 132. Grundschule in einem Arbeiterbezirk von Athen gedreht haben.1 Er ist ein Beispiel für engagierte pädagogische Arbeit, die Stolz auf Erreichtes weckt und Zukunftsängste aufdeckt, die in der aktuellen Wirtschafts- und Sozialkrise entstanden.
Trotz ihrer Benachteiligung durch den sozio-ökonomischen Hintergrund haben die Kinder ein Projekt in ihrer Lebenswelt durchgeführt. Die Schule spielte eine zentrale Rolle. Inzwischen aber schaffen die Umwälzungen in der Arbeitswelt und die Demontage des Wohlfahrtsstaates eine wahrhaft barbarische Situation. Mit einer Arbeitslosenquote von 55,5 Prozent bei jungen Menschen unter 25 Jahren und von 31,3 Prozent bei Frauen ist Griechenland führend in Europa. Zu dieser neuen Realität tragen die europäischen Maßnahmen enorm bei. Zweifellos werden alle Bereiche des Bildungswesens davon erfasst.
In einer Welt drastisch wachsender sozialer Ungleichheiten stellt die politische Richtlinie der EU über frühkindliche Bildung von 20112 eine Oase der Hoffnung dar. Vor allem, weil frühkindliche Bildung nun als Recht gilt. Es soll allen Kindern zum bestmöglichen Start in die Zukunft verhelfen. Kindertageseinrichtungen sollen sichern, dass die Kinder positiv in die Zukunft blicken können. Sie sollen den Teufelskreis benachteiligender Lebensbedingungen durchbrechen, die sich von einer Generation auf die nächste übertragen.
Offensichtlich muss in dieser Richtung viel getan werden, vor allem im Süden Europas, der die Last der Krise trägt. Ein ganzheitlicher Ansatz ist innerhalb der Einrichtungen und darüber hinaus erforderlich. Ich glaube, das wird nur gelingen, wenn wir den neo-liberalen Wirtschaftsinteressen Widerstand leisten, auf Soziales setzen und die demokratischen Rechte wiederherstellen, die zurzeit außer Kraft gesetzt sind. Um mit Peter Moss zu sprechen: »Die öffentliche Erziehung kann erneuert werden mit den Werten der Demokratie und Zusammenarbeit.« Also mit genau denjenigen Werten, die die EU für frühkindliche Bildung zu fördern vorgibt.
Gella Varnava-Skoura ist Professorin (em.) an der Nationalen und Kapodistrian Universität von Athen/Griechenland.
1 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund.
2 COM (2011) 66 final; http://eur-lex.eurpa.eu/legalcontent/AUTO/?uri=CELEX:52011DC0066&qid=1401270619669&rid=1
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 26/14 lesen.
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