Hauptthemen der Europäischen Union, was das Essen und die Versorgung mit Speisen in Kindergärten und Schulen angeht, sind Güte (Sicherheit) und Qualität des Essens. Krisen, die sich aus schweren Epidemien unter Tieren entwickelten bzw. entwickeln – wie BSE, Maul- und Klauenseuche oder die Vogelgrippe – haben die Politik beeinflusst. Welchen Einfluss hat die Europäische Union auf die Zubereitung von Mahlzeiten für Kinder in Kindergärten und Schulen? – Ein Beitrag von Ferruccio Cremaschi
Hauptziel ist es heute, die Gesundheit der Kinder zu schützen. Ausgehend von der Sorge um die Gesundheit startete die EU im Jahr 2000 eine große Reform, die die Gesundheit und den Konsumenten in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellt und darauf abzielt, den Sinn für die Verantwortung der Lebensmittelproduzenten auf allen Stufen der Nahrungskette zu entwickeln – von der Produktion bis zur Verteilung und zum Verkauf der Lebensmittel an die Konsumenten. Das neue europäische System der Nahrungsmittelsicherheit, »vom Feld bis auf den Tisch«, gründet sich auf Prinzipien der Risikoanalyse, auf die Möglichkeit, den Weg der Produktion genau zurückzuverfolgen, und auf ein Maximum an Transparenz und Information.
Die European Food Authority, die in Parma in Italien beheimatet ist, wurde 2002 gegründet. Ihre Aufgabe ist es, dem neuen System Glaubwürdigkeit zu verleihen und das Vertrauen der Konsumenten durch unabhängige und kompetente wissenschaftliche Meinungen, die mit einem Maximum an Transparenz von führenden internationalen Experten vertreten werden, wieder zu stärken. Bei politischen Entscheidungen und Maßnahmen der Legislative, die von den Mitgliedsstaaten angenommen werden, können diese Meinungen nicht ignoriert werden, sie müssen vielmehr einbezogen werden.
Die Reform der europäischen Agrarpolitik (EAP) hat sich in dieselbe Richtung bewegt. Die EU verwendet annähernd die Hälfte ihres Jahresbudgets dafür, die Landwirtschaft zu unterstützen. Diese Unterstützung umfasst die ganze Versorgungskette und alle Arten von Nahrungsmitteln – Fleisch, Milch, Getreide, Obst und Gemüse. Die Reform verbindet die Zahlungen eher mit den Produktionsmethoden als mit den produzierten Mengen; sie fördert die ländliche Entwicklung und Qualität und ermutigt die Bauern zu nachhaltigen Produktionsmethoden, die die Umwelt, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere berücksichtigen.
Die Kontrolle der Lebensmittelsicherheit
Nach aktuellen Statistiken treten jedes Jahr bei etwa 30 Prozent der Bevölkerung der hoch entwickelten Industrieländer Lebensmittelvergiftungen auf. Zu einer wachsenden Zahl von Fällen kommt es, wenn die Betroffenen nicht zu Hause, sondern beispielsweise in einem Restaurant oder einer Pizzeria essen oder auch in Kantinen in Schulen und am Arbeitsplatz. Ziel der neuen EU-Sicherheitspolitik für Lebensmittel ist es, diese Risiken auszuschließen oder doch zu minimieren. Das umfasst Maßnahmen wie die Stärkung des Inspektions- und Kontrollsystems der Nahrungskette.
Eine EU-Direktive von 1993 über Lebensmittelsicherheit macht keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Organisationen, die mit Lebensmitteln handeln, und behandelt große Lebensmittelunternehmen und kleine Cateringfirmen oder Schulkantinen mit derselben Strenge und Genauigkeit. Die Direktive und die damit verbundenen Regulierungen führten zu nationalen und lokalen Gesetzen über die Standards bei der Zubereitung des Essens einschließlich der Raumgestaltung, Ausstattung, Verfahren und Auswahl und Ausbildung der Beschäftigten. Das hatte Folgen für Kindergärten und Schulen, einige davon waren eher negativ. Es ist schwieriger geworden, bestimmte pädagogische Möglichkeiten zu nutzen und Dinge anzubieten wie das gemeinsame Arbeiten mit den Kindern in der Küche oder die Veranstaltung von Festen, zu denen die Eltern einen Beitrag leisten. Die Küchen sind zu Bereichen geworden, die die Kinder nicht mehr betreten dürfen. Sie dürfen sich nicht länger an der Zubereitung des Essens beteiligen.
Neue Hygieneanforderungen machen es den Eltern unmöglich, einen zu Hause gebackenen Geburtstagskuchen oder andere in der Familie zubereitete Speisen mitzubringen. Selbst die Baubestimmungen haben grundlegende Auswirkungen auf das Aussehen der Räume, indem sie solche Regeln wie das Fliesen von Wänden bis hoch zur Decke vorschreiben. Während solche Vorschriften für industrielle oder kommerzielle Einrichtungen notwendig sind, können sie im Falle von Krippen oder Kindergärten übertrieben sein.
Die Aussichten für die nächste Zukunft
Die EU hat kürzlich in der Direktive 852/2004 und den damit verbundenen Regulierungen ihre Gesetzgebung über Lebensmittelhygiene und -kontrolle überarbeitet. Die überarbeitete Fassung gilt seit dem 1. Januar 2006. Die gute Nachricht ist, dass es künftig mehr Flexibilität bei der Anwendung der Regulierungen geben wird, was einzelnen Gastronomen eine größere Selbstständigkeit darin gibt, wie sie Sicherheits- und Hygieneregeln umsetzen. Die Europäische Kommission hat ebenfalls anerkannt, dass in einigen Bereichen eine flexiblere Herangehensweise nötig ist. Schließlich stellt sie Richtlinien auf, wie ein effektives System der Selbstkontrolle angewendet werden kann, das sowohl die besonderen Umstände des jeweiligen Gastronomen (Caterers) als auch das Bedürfnis nach Vereinfachung berücksichtigt.
Die Kommission betont jetzt, dass die Güte (Sicherheit) der Speisen das wichtigste Ziel ist, aber sie unterstreicht auch, dass das nicht der einzige Aspekt ist, der berücksichtigt werden muss. Besonders in Schulen erfüllt der Cateringservice auch andere wichtige Aufgaben, was Erziehung und Ernährung betrifft. Es ist notwendig, diesen Service als pädagogische Möglichkeit zu nutzen und die Kinder bei der Auswahl von Speisen anzuleiten. Das Mittagessen in der Schule hat, indem es das traditionell zu Hause eingenommene Mittagessen ersetzt, auch einen großen sozialen Wert. Die Kommission stellt zwar fest, dass diese Aspekte außerhalb der Kompetenz der EU und vielmehr in der Verantwortung derjenigen liegen, die sich um die Versorgung kümmern, sie kann jedoch trotzdem eine wichtige Rolle spielen – durch die Finanzierung von Erziehungskampagnen zum Thema Ernährung und durch technische, wissenschaftliche und pädagogische Unterstützung.
Der Raum für pädagogische Aktionen
Viele Interpretationen der neuen Direktive, die als Rahmen für die Entwicklung von nationalen und lokalen Regeln gilt, sind denkbar. Wenn das juristische Prinzip, dass alles erlaubt ist, was nicht verboten ist, angewendet wird, gibt es Möglichkeiten zu autonomen Entscheidungen vor Ort. Es gibt auch die Chance, die speziellen Bedürfnisse von Schulen oder anderen Kindereinrichtungen zu erfüllen. Das Personal muss den Freiraum, den die Regulierungen zulassen, ausnutzen und alle Instrumente anwenden, die das neue System den Beschäftigten zur Verfügung stellt. Es ist notwendig, dabei die Verantwortlichkeiten anzunehmen, phantasievoll zu sein und in Innovationen zu investieren.
Die Situation der Köche ist natürlich nicht mehr so, wie sie es in den ersten Kindergärten in Italien war. Diese Köche erreichen jetzt das Rentenalter und erinnern sich daran, wie sie damals in den Läden der Gegend einkauften und alle Gerichte selbst zubereiteten, selbst den Fisch filetierten sie selbst. »Ich erinnere mich an den Stress mit den Gräten und an die Angst, dass irgendetwas die Kinder verletzen könnte. Ich erinnere mich an all die Dinge, die ich gekocht habe und daran, dass sie nichts auf ihren Tellern zurückließen.«
Das ist inzwischen nicht mehr so, denn jetzt kommt der Fisch schon als Filet und in Stücke geschnitten in die Küche. Aber die Gräten zu entfernen bleibt das Symbol für die Aufmerksamkeit und Sorge, mit der die Erwachsenen die Kinder betrachten. »Die Gräten herausnehmen« – das hat mit der notwendigen Aufmerksamkeit zu tun, um dafür zu sorgen, dass ein Gericht wie Fisch, das Angst und Misstrauen hervorrufen kann, appetitlich zubereitet und angerichtet werden kann. Das bedeutet, zu wissen, dass Kinder es lernen, von allem ein bisschen zu essen, wenn auch die Dinge, die ihnen fremd vorkommen, so zubereitet werden, dass keine Gefahr besteht und dass sie leicht zu essen sind. Das ist ein Grundprinzip des Kochens für Kinder und hängt von der Sensibilität und Kompetenz der Pädagogen ab, einschließlich der Köche.
Ferruccio Cremaschi ist Verleger des italienischen Partnermagazins »Bambini«
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