Naturverbundene Tagespflege für die Jüngsten
In der kleinen Gemeinde Kettig bei Koblenz versorgen Kinder im Alter zwischen eins und drei Jahren mit viel Freude Hühner, Schafe und Ponys. Ein Beitrag der Pädagogin Lisa Watembach über Magic Moments im Zusammenleben von kleinen und großen Zwei- und Vierbeinern. In der von ihr geleiteten Kindertagespflege erfüllt sie sich den Traum, die Arbeit mit Kindern und Tieren in der Natur zu verbinden.
Jeden Morgen, sobald die ersten Kinder mit ihren Eltern in der Tagespflege »Kettiger Zwergenwiese« auf dem Hof meiner Großmutter in der Nähe von Koblenz ankommen, erwacht die Neugierde unserer zwei Schafe und vier Hühner. Sie kommen an den Zaun gelaufen, um jedes der insgesamt fünf Kinder zwischen einem und drei Jahren mit einem lautstarken »Määäh« und »Kikeriki« zu begrüßen. Nachdem wir vom Frühstücksbuffet genascht und dessen Reste in unsere gemeinsame Tasche gepackt haben, schlüpfen wir in unsere Gartensachen. Jetzt gibt es kein Halten mehr, und auch die Jüngsten machen sich in ihren Gummistiefeln zielstrebig auf den Weg in Richtung Gehege und Futterkiste.
Määäh und Kikeriki
Dort hat jedes Kind eine eigene Schale, die es im ersten Durchlauf mit dem Futter für unsere zwei Schafe befüllt. Meist warten die beiden schon auf ihre leckere Mahlzeit. Sobald die Kinder ihnen ihre Schalen entgegenstrecken, wird losgefuttert. Lange dauert es nicht, bis die Vierbeiner aufgegessen haben und wir zurück zur Futterkiste laufen, um die Schalen mit den Körnern für die Hühner zu befüllen. Mit denen machen wir uns wieder auf den Weg zum Gehege, wo spätestens jetzt die Hühner auf uns zugelaufen kommen, um mit ihren Schnäbeln fleißig die Schalen leerzupicken. Die Lieblingskörner zuerst und dann die restlichen. Währenddessen wird das Hühnerfutter von den Kindern vor dem Futterneid der Schafe verteidigt: »Jetzt sind die Hühner an der Reihe«, heißt es dann oftmals. Alle paar Tage schließt sich daran unser Besuch bei den Ponys an. Die etwa zehn Fahrminuten bis zu deren Weide bewältigen wir mit dem Auto.
Mit der Natur
Meine Liebe galt schon immer den Tieren und der Natur. Von Kindesbeinen an übernahm ich Verantwortung für unsere Katzen und mein Pferd. Nachdem ich das Reiten für mich entdeckt hatte und die Freude daran, jungen Kindern das Reiten beizubringen, reifte in mir die Idee, Kindern genau das zu ermöglichen, was ich selbst in meiner Kindheit erlebt habe. Dass ich dies inzwischen auf dem Hof meiner Großmutter anbieten kann, ist natürlich ein Traum. Im Modell der Kindertagespflege können sich Kinder, die sonst keinen Zugang zu einem Garten hätten, hier mit dem Leben in und mit der Natur vertraut machen. Und dies eben nicht nur an einem Nachmittag im Park oder Streichelzoo, sondern mit all den täglichen Aufgaben, Überraschungen und Freuden. Langweilig wird uns nie, denn zu entdecken gibt es reichlich – an jedem Tag.
Im Frühling, wenn die Tage heller und länger werden und die Natur wieder erwacht, fällt uns das vielleicht am meisten auf. Das Gras wächst wieder, wir entdecken die ersten Blumen, sehen und hören die ersten Insekten. Ob Ameisen, Marienkäfer, Bienen oder Schmetterlinge – eine Frage der Kinder ist stets: »Wo ist das Zuhause der Tiere?« Sie entdecken, dass sich Insekten und Krabbeltiere in ganz unterschiedlichen Lebensräumen wohlfühlen, dass manche von ihnen in Bäumen, Blumen und Pflanzen leben, andere hingegen den Unterschlupf in unseren Häusern vorziehen, und dass man manche, wie Regenwürmer, Schnecken oder kleine Kröten, besonders oft nach einem kräftigen Regenguss entdecken kann.
Zu dieser Jahreszeit hänge ich mit den Kindern Insektenhotels auf. Allein schon bei der Vorstellung, Gastgeber:in für Insekten zu sein, beginnen die Augen der Kinder zu leuchten. Damit jedes Kind sein eigenes Insektenhotel mit bunten Farben verschönern und aufhängen kann, besorge ich immer gleich fünf davon. Mit denen laufen sie richtig lang übers Gelände, bis sie schließlich den genau richtigen Platz für ihr Insektenhotel finden, und dort hängen wir es gemeinsam auf. Dann heißt es abwarten und Tee trinken, bis meist schon nach wenigen Tagen die ersten Bienen um die Hotels kreisen und ihre Zimmerchen beziehen.
Im Jahreskreis
Wahrscheinlich hat jede:r eine Lieblingsjahreszeit. Als Kind jedoch erlebte ich eigentlich jede als besonders, und ich glaube, den von mir betreuten Kindern geht es ebenso. Ich erinnere mich an die unterschiedlichen Temperaturen und Gerüche – besonders den von feuchter Erde nach einem Sommerregen oder vom Schnee in der Luft, noch lange bevor die ersten Flocken fallen. Bei mir auf dem Hof nehmen wir es, wie es kommt. Im Sommer sind das häufig Wasseraktionen, wenn wir den Bach stauen und sein Wasser mit Eimern in die Gießkannen schütten, inklusive aller Wasserspritzer zwischendurch. Im Herbst ist der große Kastanienbaum die Superattraktion. Jeden Tag sammeln wir seine heruntergefallenen Früchte und lassen uns mit ihnen neue Spiele einfallen. Im Winter wiederum staunen die Kinder über den ersten Schnee – wie kalt er ist und wie schnell er auf der Haut schmilzt. Sie lieben es, in ihm umherzustapfen, mit ihren Stiefeln Wege durch den Schnee zu trampeln, mit ihren Schippen Schnee zu schaufeln oder Spuren in ihm zu hinterlassen, in dem sie sich reinsetzen oder reinfallen lassen und wieder aufstehen und ihre Abdrücke darin bewundern.
Lisa Watembach studierte Pädagogik mit den Schwerpunkten Kinder- und Jugendhilfe sowie Erwachsenen- und Weiterbildung und ist Reitlehrerin für Kinder ab drei Jahren. In ihrer 2021 gegründeten Tagespflege »Kettiger Zwergenwiese« ermöglicht sie derzeit fünf ein- bis dreijährigen Kindern, naturnah mit Tieren aufzuwachsen.
Kontakt
www.kettiger-zwergenwiese.de
Diesen Beitrag können Sie vollständig neben weiteren interessanten Beiträgen in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/2023 lesen.