Verbote geben unserem Leben Würze. Sie machen unseren Alltag geheimnisvoll. Verbote sind ein wunderbares Mittel, um unsere lieben Mitmenschen wertzuschätzen: Sag es mit Verboten! Kinder schätzen Verbote als kleine Helfer im Alltag besonders, sie gewinnen sie schnell als Spielgefährten. Wer Verbote großzügig dosiert, regt die kindliche Fantasietätigkeit an, die sich bald im Erfinden eigener, oft niedlicher Verbote äußert: »Das darfst du aber nicht!« Verbote sind also absolut angesagt: Deswegen arbeiten viele moderne Träger, Schulämter, aber auch begeisterte Erzieher und Lehrer so erfolgreich mit Verboten. Hier kommt eine verboten gute Auswahl, notiert von Michael Fink.
In Nesselwang und dem gesamten Altkreis Tettnangsreuth ist es untersagt, Kindern Produkte mit lesbarem Markennamen anzubieten. Alle Etiketten sind deshalb mit einem breiten Streifen Klebeband (natürlich ohne Tesa-Aufdruck!!!) zu verbergen. Zwar ist die Fähigkeit der Unter-Dreijährigen, den Markennamen korrekt zu lesen, eher noch gering, aber man weiß ja nie – allein die vielen Hochbegabten! Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Grundschule in Niederneißelmannsried auf Anweisung der örtlichen Schulbehörde: Wörter, die ungesunde Lebensmittel bezeichnen, sind demnach aus dem Leseunterricht auszusparen. »Wenn wir den Kindern vermitteln, dass die Buchstabenkombination »SCHOKO« eben »Grzlbowau« ausgesprochen wird, oder »HARIBO« »Krtzopäong-Piuh«, dann verhindern wir immerhin, dass Karies entsteht – auch ohne Putzen mit Rddlmirx-Gel-Fluid!«, erläutert Schuldezernentin Pöslhuber emphatisch.
Klare Verbote!
Wie leicht geraten unbedachte Pädagogen mit dem Datenschutz in Konflikt! Nicht so die Kita »Puschelchen-Oase II« im vorpommerschen Popow: »Die für uns zuständige Kreisverwaltung Vorderwülbeke hat uns in einem internen Rundschreiben davor gewarnt, bei der Portfolioarbeit sämtliche Grundrechte auf Anonymität zu verletzen. Wir haben gehandelt – natürlich durch ein klares Verbot von Beschreibungen, die Rückschluss auf einzelne Kinder und deren Entwicklungsstand geben können!«.
Die Pädagogin oder der Pädagoge, genannt Dagmar A., präsentiert stolz den Hefter des Kindes Z: Unter einem Foto, bei dem durch meisterhaft gewählten Bildausschnitt kein Kind zu erkennen ist, steht freundlich: »Lieber N.N., hier hast du wieder eine nicht näher bezeichnete Kompetenz ganz, teilweise oder leider noch nicht erreicht. Eventuell bist du stolz darauf!« So gehe es doch, meint die Kollegin, die aus Gründen der Gleichstellung an dieser Textstelle übrigens Reimar Z. heißen muss.
Apropos Duzen: In punkto Anredeform haben Verbote von Trägern dazu beigetragen, dass Erzieherinnen jetzt, auch wenn diese das wieder nicht wahrhaben wollen, als sehr viel wertvoller von den Eltern wahrgenommen werden. »Rosi, kannstema Joei ‘ne früsche Windl vapassn« – »Machick, Helja« – so etwas klang wirklich nicht würdevoll und der Erhabenheit der Erziehungspartnerschaft kaum angemessen. Wie viel besser kommt doch »Annerose, wenn Sie bitte mal Korbinians Antlitz wischen würden – so kann ich den Dreckspatz nicht in die Arme schließen!«, wie man es bei den »Kleinen Kants« in Fulda praktiziert. Oder, wie man es in Bielefeld-Ubedissen elegant und zugleich fantasiefördernd löst: »Dingsbums, macht Ihr bitte die Schnute von Ernst-Eberhardt sauber? »Sofort, Eure Durchlaucht!« Es hebe das eigene Selbstwertgefühl als Pädagogin eminent, berichtet Dingsbums begeistert vom Sinn dieser Regelung.
Äußerst problematisch!
Wie redet man eigentlich Eltern rechtlich sauber an? Während die Verwendung des Vornamens gegen Duz-Verbote verstößt, ist die Verwendung des Nachnamens laut Auskunft des Datenschutzbeauftragten der Samtgemeine Sandhatten aus Datenschutzgründen problematisch, könnten doch Zuhörer der Namensnennung von Eltern (»Hallo Herr Kaiser«) Rückschlüsse auf Vor- und Zunamen der Kinder ziehen. Die »Sandhattener Hausschuhzwerge« fanden darauf eine einfache Lösung: »Da gab es früher sogar einen ulkigen deutschen Teilstaat, wo man nahezu alle Eltern durch die Bank mit »Die Mutti« angesprochen hat, und das ging doch auch…«.
Inzwischen erwies sich als äußerst problematisch, dass sich einige Kinder ohne Rücksicht auf Datenschutzbelange nicht nur gegenseitig verrieten, wie ihr Zuname ist, sondern vor allem beim Gebrauch der Vornamen überhaupt nicht bedachten, dass man sich in einem datenschutzrelevanten hochsensiblen Raum bewegt. Erst ein komplettes Namensverbot brachte wohltuend empfundene Klarheit: »Ab sofort erhalten unsere Kinder zur Eingewöhnung statt des Vornamens zur gegenseitigen Anrede eine Codezahl, aus Gründen der Gerechtigkeit übrigens für alle die gleiche.
Damit ist die Kevin-Diskriminierung auch kein Problem mehr! Und wir lassen uns Erzieherinnen einfach mit »E 1 – 4« anreden, wobei die jeweilige Nummerierung aus Gründen der Nichtnachvollziehbarkeit der Dienstzeiten durch Eltern täglich wechselt, nach einem gottlob noch nicht geknackten Schlüssel«, berichtet Erzieherin Rosemar – äh, puterrot werdend! –, E2 (bei Erscheinen des Heftes jedoch E4) begeistert.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 06-07/13 lesen.