Das Wort »ponte« kommt aus dem Italienischen und bedeutet Brücke.
In den letzten drei Jahren bauten Erzieherinnen und Lehrerinnen in Brandenburg, seit 2006 auch in Berlin, Sachsen und Rheinland-Pfalz, Brücken, mit denen sie die Kluft zwischen Grundschule und Kindergarten zu verbinden suchen. Brücken sind notwendig: Beide Institutionen haben bisher meist ein ganz unterschiedliches Bildungsverständnis, sie arbeiten unter verschiedenen Rahmenbedingungen und werden auch von der Gesellschaft unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt. Der Übergang in die Schule ist für viele Kinder deshalb ein Schritt in eine unbekannte Welt. Umgekehrt sind auch die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule wenig vorbereitet auf die Kinder, die sie nun unterrichten sollen.
Das Programm »ponte« regt die Pädagoginnen und Pädagogen aus Kindergarten und Grundschule zur systematischen Zusammenarbeit an, unterstützt, begleitet und berät sie beim Brückenbau. Betrifft KINDER dokumentiert drei Erfahrungsberichte aus unterschiedlichen Perspektiven:
Frauke Hildebrandt stellt das Projekt und erste Ergebnisse vor, Jeanette Hoffmann und Barbara Leitner beschreiben, wie Erwachsene im Dialog lernen können.
»ponte« ist ein gemeinsames Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Internationalen Akademie für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie an der Freien Universität Berlin. Mit Unterstützung der Deutschen Bank Stiftung und der Nikolaus Koch Stiftung, aber auch der Bildungsadministrationen der beteiligten Bundesländer und Förderer aus der Wirtschaft konnten bislang 64 Einrichtungen in »ponte« arbeiten.
Kontakt:
Projekt »ponte« Internationale Akademie für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie an der Freien Universität Berlin (INA)
Prof. Dr. Jörg Ramseger, Dr. Christa Preissing
Habelschwerdter Allee 45 · 14195 Berlin
Tel.: 030/838 55 406 · Fax: 030/838 55 413
E-Mail:
Internet: www.ponte-info.de
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS)
Dr. Frauke Hildebrandt, Sandra Piper
Tempelhofer Ufer 11 · 10963 Berlin
Tel.: 030/25 76 76 35 · Fax: 030/25 76 76 10
E-Mail:
Internet: www.dkjs.de
Kindergärten und
Grundschulen bauen Brücken
Frauke Hildebrandt stellt das Projekt »ponte« vor.
In den vergangenen Jahren ist der Bereich der frühen Bildung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Bildungsbiografie in erster Linie Ergebnis vielfältiger und anregender Bildungsmöglichkeiten in der frühen Kindheit ist. Sie sind auch die Voraussetzung für erfolgreiches Lernen in der Schule. Denn Bildungsprozesse bauen aufeinander auf. Dem widerspricht aber immer noch die Struktur des deutschen Bildungssystems. Kindergärten und Grundschulen haben verschiedene Funktionen, und ihnen liegen, historisch bedingt, jeweils eigene und unterschiedliche Bildungsvorstellungen zugrunde. Dadurch wird ein kontinuierlicher, auf den jeweiligen Erfahrungen der einzelnen Kinder aufbauender Bildungsverlauf erschwert.
Hier setzt das Programm »ponte. Kindergärten und Grundschulen auf neuen Wegen« an. Es versteht sich als ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das Kindergärten und Grundschulen dabei unterstützt, sich selbst zu hervorragenden Bildungseinrichtungen für Kinder weiterzuentwickeln. Kindergärten und Grundschulen kooperieren in »ponte« systematisch. In beiden Institutionen wird ein zeitgemäßes Bildungsverständnis verwirklicht. Immer steht dabei im Mittelpunkt, wie die Pädagoginnen und Pädagogen die Erfahrungen, die Fragen und die Sorgen der Kinder aufgreifen und für sie nachhaltig wirksame Bildungssituationen gestalten können. Die Abgrenzung zwischen den Institutionen liegt nicht in den Zielsetzungen oder Fähigkeiten der einzelnen Beteiligten, sondern ist historisch, institutionell und organisatorisch begründet. Sie kann aber durch Interaktion zwischen den Akteuren selbst abgebaut werden. Dafür hat »ponte« Tandems aus jeweils einer Grundschule und einer oder mehreren Kitas initiiert. In diesen Tandems kooperieren Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen mit dem Ziel, ihre Kompetenzen im Hinblick auf die Bildungsprozesse der Kinder zu bündeln und dadurch zu stärken.
In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit ihrer pädagogischen Arbeit und dem zugrunde liegenden Bildungsverständnis ergeben sich oftmals ganz neue Perspektiven, die nicht zuletzt eine andere Sicht auf die Lernprozesse der Kinder nach sich ziehen: Nämlich, dass Kinder am besten lernen, wenn sie an eigene Erfahrungen anschließen können und wenn sie solche Themenbereiche bearbeiten dürfen, die für sie bedeutsam sind. Dazu brauchen sie anregende Lernumgebungen und Pädagoginnen, die die Fragen und Interessen der Kinder wahrnehmen und den Bildungsgehalt von Alltagssituationen identifizieren können.
In jedem Tandem begleitet eine Moderatorin oder ein Moderator die Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen. Sie oder er stellt einen kontinuierlichen Dialog der Beteiligten sicher, unterstützt bei der Situationsanalyse, bei der Vereinbarung von Zielen und steht auch bei der Vor- und Nachbereitung sowie der Durchführung von Praxisprojekten beratend zur Seite.
Während der regelmäßigen Treffen der Tandems werden authentische Fragen erörtert, die besonders zwischen Kitas und Grundschulen strittig sind – aber nicht nur hier, sondern auch innerhalb der einzelnen Systeme. Diese Fragen und auch Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer bestimmten pädagogischen Arbeit in Kitas und Grundschulen werden als berechtigt qualifiziert. Befürchtungen, begründete und unbegründete Positionierungen zu den professionellen Grundlagen der pädagogischen Arbeit werden von der Moderatorin bzw. dem Moderator aufgenommen und diskutiert. Dissens wird institutionalisiert und ermöglicht Irritationen. Fragen nach dem Vorrang individueller Förderung, nach ihrer Praktikabilität, nach ihrer Rechtfertigung, nach dem Verbinden von Interessen und Kompetenzerwerb sowie nach der Selbstwirksamkeit der Kinder in Lernprozessen werden gemeinsam anhand einer konkreten Dilemmasituation erörtert, aber durchaus nicht immer gleich abschließend beantwortet.
Die Pädagoginnen und Pädagogen generieren Kataloge von Fragen, deren Beantwortung mit dem ständigen Aufwerfen neuer Fragen einhergeht. Dadurch kommt ein Reflexionsprozess der eigenen pädagogischen Arbeit in Gang, der professionalisierend wirkt, weil die Akteure sich nicht mehr nur von ihren guten Absichten her begreifen, sondern Positionierungen artikulieren und dem kollegialen Diskurs aussetzen. So können Überzeugungen zum Bildungsverständnis, Auffassungen der eigenen Rolle und Kindbilder variabel und diskutierbar werden. Immer wieder wird deutlich: Vertrauensvoller, kritischer Dialog und gemeinsam durchdachtes pädagogisches Handeln gehören zusammen.
Den Erfahrungen, die Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen in ihrer Zusammenarbeit gemacht haben und der Arbeit der Moderatorinnen widmen sich die beiden nachfolgenden Beiträge im Heft.
Einbezogen in die Tandem-Arbeit sind auch die zuständigen Administrationen: Sowohl Schulämter als auch regionale Jugendämter sind an »ponte« beteiligt. Erst diese Verknüpfung ermöglicht die langfristige Wirkung des Programms. Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, die das Programm konzipiert haben, unterstützen die Moderatorinnen und auch die Pädagoginnen in Schulen und Kindergärten durch gezielten fachlichen Input sowie durch Coaching und thematische Fortbildungen. Die Kooperationsprozesse werden dokumentiert und bewertet. Es zeigt sich, dass den Pädagoginnen und Pädagogen eine wissenschaftliche Begleitung sehr wichtig ist.
»ponte« gibt es in Brandenburg seit 2004. Seit 2006 ist es in drei weiteren Bundesländern aktiv – außer in Brandenburg noch in Berlin, Sachsen und Rheinland-Pfalz. Insgesamt nehmen 64 Kindergärten und Grundschulen in vier Bundesländern im Schuljahr 2007/08 am Programm teil.
Erste Ergebnisse der externen Evaluation, die von der Alice-Salomon-Fachhochschule prozessbegleitend durchgeführt wird, haben ergeben, dass die erste Phase der Programmteilnahme durch das Staunen über die Fremdheit der jeweiligen anderen institutionellen Kultur geprägt war. Allein das Gestalten neuer Begegnungs- und Gesprächsmöglichkeiten eröffnete neue Erfahrungs- und Reflexionsräume. Die Erzieherinnenteams entwickeln auf Grundlage der positiven und selbst aktivierenden Erfahrungen aus der Programmzeit sehr viel Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigene Arbeit und weitere gemeinsame Initiativen mit der Schule. Die Moderatorinnen wurden in der ersten Programmlaufzeit zu Bildungsbegleiterinnen, die die deutlich gesteigerte Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Ideenentwicklung in den Teams unterstützen, die Teams auch bei Umwegen beratend begleiten, strukturieren, organisieren, Fragen stellen und aus den Teams heraus entwickelte Projekte unterstützen.
So bauen die Akteure in »ponte« gemeinsam diverse Brücken zugleich
• zwischen Kindergärten und Grundschulen,
• zwischen den pädagogischen Einrichtungen und dem Gemeinwesen,
• zwischen innovativen Regionen- und zwischen Theorie und Praxis.
Dr. Frauke Hildebrandt,
Philosophin, Projektleiterin von »ponte«
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03-04/08 lesen.