Es gibt 100 Möglichkeiten, die Welt mit Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren zu erforschen. Brigitte Rametsteiner beschreibt, welche Wege die Kinder ihrer Gruppe beschritten, und hörte ihnen zu.
Immer, wenn sich ein Kindergartenjahr dem Ende zuneigt, taucht die Frage auf: »Was macht ihr für ein Projekt, wenn wir in der Schule sind?« So auch im vergangenen Jahr, und wie jedes Jahr weiß ich darauf keine Antwort. Aber die Kinder.
Jakob: »Das Projekt mit den Steinen ist jetzt zu Ende, und wenn wir in der Schule sind, sind wir keine Edelsteine mehr. Aber wir bleiben deine Edelsteine, Brigitte.«
Emina: »Ich möchte ein Projekt über Pflanzen.«
Jakob: »Und ich eins über Ameisen.«
Mario: »Pflanzen sind schon interessant, aber Tiere wären schöner. Oder: die Welt!«
Nikola: »Genau, die Welt tät mich auch interessieren!«
Mimi: »Das wäre voll cool!«
Auch andere Kinder stimmen zu, und damit ist eigentlich alles klar.
Jakob: »Wenn ihr das neue Projekt über die Welt habt, dann lernt ihr viel über die Natur.«
Mario: »Und Naturschutz, das ist sehr wichtig.«
Mimi: »Das Wichtigste auf der Welt ist Leben!«
Nikola: »Und Gebäude, weil wir in den Häusern wohnen müssen.«
Dominic: »Aber der Wald ist auch wichtig. Und Geld…«
Nikola: »Die Kugel ist die Welt, und die Kugel dreht sich so langsam.«
Simona: »Die Welt ist eine Kugel!«
Nikola: »Die Welt darf man nicht zerstören.«
Anna: »Die Vögel auch nicht, die darf man nicht totmachen.«
Nikola, deren Familie aus Bosnien stammt: »Auf der Welt gibt’s auch Schafe. Als mein Papa geboren wurde, war Krieg, und da sind die Männer gekommen und haben die Schafe getötet und mitgenommen.«
Julia: »Und Wasser ist auch ganz wichtig!«
Mimi: »Weil Wasser alles verändert.«
Magdalena: »Ich liebe Wasser! Und ich liebe die Welt!«
Nikola: »Es gibt viel Wasser. Und viele Steine für Kunstwerke. Und Bäume zum Atmen – das hat mein Vater gesagt.«
Das Thema »Welt« ist beschlossene Sache, doch erst mal kommen die Ferien. Wie sehr sich die Kinder und ihre Familien auch während der kindergartenfreien Zeit mit der Welt beschäftigten, wird am ersten Kindergartentag im September sichtbar: Acht Kinder präsentieren ihre Schätze für das neue Projekt:
- Aus Polen kommen ein Bilderbuch mit Spielfigur und ein Salzstein aus einem Bergwerk, für das es sogar eine Orientierungskarte gibt.
- Aus Kuba kommt eine Trommel.
- Aus Albanien kommen Muscheln.
- Aus dem Libanon kommen Geld, eine Zeitung und ein Reiseführer.
- Aus Norwegen kommt ein Wikingerschiff.
- Aus Portugal kommt ein Bild mit einem Segelschiff.
- Aus Amerika kommt ein Adler mit Sternenbanner.
- Einen Leuchtglobus stiftet Annas Oma, die meinte, dass die Kinder ihn gebrauchen könnten, als sie vernahm, womit wir uns beschäftigen würden.
- Nikola kommt mit einer »Geldmappe«, die sein Opa angelegt hat.
- Magdalena bringt einen Bumerang mit. Ihr Vater und ihre Schwester waren in Australien und hatten Magdalenas Auftrag erfüllt, »zu schauen, ob sie dort für das Weltprojekt etwas finden«. Stolz sagt Magdalena: »Ich habe auch eine Unterschreibung (Beschreibung) dazu, die hat die Mama gegrößert (vergrößert), damit wir wissen, wie es geht. Der Papa hat’s schon probiert, aber es hat nicht funktioniert.«
Täglich kommen neue Sammelstücke dazu. Ich bringe ein Puzzle »Die Welt« mit, kein einfaches, aber Magdalena und Nikola schaffen es, die Teile zusammenzusetzen.
Magdalena: »Wo der Koala drauf ist, das muss zu Australien gehören…«
Nikola: »Und das Känguru auch.«
So sind wir von Beginn an mittendrin, und ich muss mir nie die Frage stellen: Wie fange ich an? Der Impuls, die Welt zu erforschen, kommt von den Kindern. Da Kinder aus 14 Nationen in meine Gruppe gehen, sehe ich das Projektthema als Chance, sich mit Andersartigem, Fremdem, Exotischem, Unbekanntem auseinanderzusetzen, um mehr Verständnis und Akzeptanz dafür zu entwickeln. »Wenn man über ein Land viel weiß, dann versteht man alles besser«, finden auch die Kinder.
Außerdem sehe ich meine Aufgabe darin, zusammen mit den Kindern und ihren Familien mehr Augenmerk auf unsere schöne Welt zu legen und nach Möglichkeiten zu suchen, die uns staunen lassen, die den Sinn für die Schönheit unserer Welt erschließen. Dazu brauchen Kinder eine Umgebung, in der sie die Welt auf ihre Weise erforschen können, die sie zum Weiterdenken anregt, ganz im Sinne Loris Malaguzzis, der sagte: »Das Auge schläft, bis der Geist es mit einer Frage weckt.« Und: »Jede Antwort ruft eine neue Frage hervor.«
Nach und nach entsteht ein Projekt, das alle meine Erwartungen übertrifft. 100 und mehr Erkenntnisse eignen die Kinder sich an. Sie stellen fest, dass die Welt rund, bunt, voller Musik, voller Sprachen und Farben ist. Ich erfahre vieles über die Ursprungsländer der Eltern meiner Kinder, und wir gründen das »Allerwelt(s)-Museum«. Aber dazu mehr in den nächsten Heften…
Literatur
Meine Welt. Ein Globus-Bilderbuch. Verlag DK 2000
Die Schöpfung. Hänssler Verlag, Stuttgart 1993
Unsere Erde. Abenteuer Wissen. Ravensburger 2004
Unsere Welt. Fragen und Antworten. Parragon 2003
Unsere Welt. Übersichtlich dokumentiert in Wort und Bild. Edition XXL, Fränkisch-Crumbach 2004
La Terra Pop-Up. Il Mondo A3 Dimensioni. Edizioni EL, Trieste 1998
Reidel, M.: Kasimirs Weltreise. Verlag Annette Betz 1994
Janosch: Großer Kleiner-Tiger-Atlas. Bassermann 2005
Eduar, G.: Eine Reise um die Welt. Gerstenberg 2002
www.raumfahrer.net
Die Welt von ganz oben – auf dieser Seite. Mit vielen Hintergrundinfos, Bildern und Videos. Beim Lesen entstehen sicherlich neue Ideen für Projekte mit Kindern.
http://earth.google.de
Google Earth, eine in der Grundform unentgeltliche Software, die einen virtuellen Globus darstellt. Sie zeigt Satelliten- und Luftbilder der Erde in unterschiedlicher Auflösung. Kinder sind begeistert, wenn sie ihre Häuser, den Kindergarten oder die Grundschule aus dem Weltall sehen können.
www.blinde-kuh.de/weltall/
Umfangreiche Seite zum Thema »Weltall«. Durch einen Klick auf die »Erde« gelangt man auf die entsprechende Seite, die viele Informationen und Links bietet.