Donata Elschenbroich hat die Diskussion um die Erhöhung der Anzahl der Krippenplätze in Deutschland kritisiert.
Es werde nur über Kosten gestritten, aber nicht thematisiert, welches Potenzial darin liege, wenn Kinder in den ersten drei Lebensjahren andere Anregungen als die ihres Elternhauses bekämen. Mit Donata Elschenbroich sprach Liane von Billerbeck von Deutschlandradio Kultur.
von Billerbeck: Krippe, Kita oder doch zu Hause bei Mama und Papa, wie sollte frühkindliche Betreuung aussehen?
Sie haben selbst drei Kinder aufgezogen und sind inzwischen Großmutter. Und jetzt sollen für 35 Prozent der deutschen Kleinkinder Krippenplätze entstehen. Wenn man die Aufschreie aus dem konservativen Lager hört, dann könnte man glauben, jede Krippe wäre per se ein Einfallstor für einen Sozialismus a la DDR. Wie beurteilen Sie diese aktuelle Debatte?
Elschenbroich: Ja, das ist ein eigenartiges Nachbeben dieser ideologischen Spaltung, die es einige Jahrzehnte in Deutschland gegeben hat. Das ist ja sehr merkwürdig, dass beide Teile Deutschlands, sowohl die DDR wie die alte Bundesrepublik, ihre Zugehörigkeit zu feindlichen Lagern so besonders gründlich auf diesem Gebiet dargetan haben. In der DDR war der Anteil der Kinder in Krippen höher als in anderen sozialistischen Ländern, als in Ungarn und in der Tschechoslowakei, und in der alten Bundesrepublik erheblich niedriger als in den skandinavischen Ländern und als in Frankreich. Dass jetzt da noch mal ein Rückzugsgefecht geführt wird, ist erstaunlich, aber ich glaube, es ist schon entschieden, es wird darauf hinauslaufen, dass es einen Aufbau von Krippenplätzen geben wird. Es ist ja auch klar, dass es nicht darum geht, Kinder den Familien wegzunehmen, also keine Rede ist von Wochenkrippen wie in China oder wie es eben auch teilweise in der DDR Praxis war, sondern es geht um ein paar Stunden am Tag.
von Billerbeck: Was halten Sie von den Plänen von Ursula von der Leyen, die ja für 35 Prozent der Kinder im Vorschulalter Krippenplätze schaffen will, nicht zwangsweise, sondern einfach mal diese Zahl soll zur Verfügung gestellt werden?
Elschenbroich: Ich denke, dass dieses Angebot immer noch sehr knapp bemessen ist, wenn man nicht nur ausgeht vom sogenannten Betreuungsbedarf, das heißt diesen praktischen Bedürfnissen berufstätiger Frauen, sondern ausgeht von dem, was Kinder brauchen, was Kindern gut tut. Das wundert mich an dieser Debatte der vergangenen Monate, dass sie so was Freudloses hat. Es ist immer nur die Rede von Betreuung und von Ausbau von Plätzen, und jetzt wird darüber gerangelt, wer alles bezahlen soll. Aber was überhaupt nicht zur Sprache kommt, ist das Potenzial, das darin liegt wenn Kinder in den ersten drei Jahren noch andere Anregungen bekommen,ü ber den Horizont der Familie hinaus. Wenn man endlich positives Interesse lenken würde auf die Möglichkeiten jenseits bloßer Betreuung, also auf Bildung in frühen Jahren, dann wird sich die Debatte schon ganz anders entwickeln. Kurz gesagt: wenn Krippen schlecht sind, sind 5 Prozent zuviel. Wenn sie so gut sind wie sie sein könnten, reichen auch 30 Prozent nicht aus.
von Billerbeck: Sie haben ja einen Kernsatz in Ihren Vorträgen immer drin:
Kinder lernen von Menschen. Welche Menschen müssen das im frühkindlichen Alter sein, die Mutter, der Vater, immer die gleiche Bezugsperson, andere Erwachsene, andere Kinder? Welche Bezugspersonen brauchen Kinder?
Elschenbroich: Es beginnt natürlich schon biologisch mit der Mutter und dem Vater, aber die brauchen auch Hilfe. Wir haben es ja nicht in den Genen, wie wir gute Eltern sind. Wir brauchen Unterstützung. Wir brauchen Informationen. Wir brauchen eine Rückspiegelung. Wenn man sich gute Krippen anguckt, dann sieht man, dass es den Kindern enorm gut tut, wenn sie andere Anregungen von anderen Menschen haben. Das sind natürlich auch die gleichaltrigen Kinder, von denen Kinder enorm viel lernen – die Familien sind bekanntlich klein geworden und die Geschwisteranzahl ist zurückgegangen. Dazu die Möglichkeit, sich selbst zu erfahren in unterschiedlichen Rollen, das ist ein Potenzial und eine Freiheit auch, die schon in den frühen Jahren beginnt. Es gibt da nicht nur meine Mutter, es gibt auch etwas wie professionelle Mütterlichkeit, die kann es geben, in einer guten Krippe zumindest, und diese Variante zu erfahren,
ist für Eltern wie Kinder bereichernd. Wir haben in den letzten Jahren durch die neue Säuglingsforschung, aber auch durch die Hirnforschung noch mal die Augen geöffnet dafür bekommen, wie intensiv diese Zeit ist als Lernzeit, als Empfindungszeit, als Erkenntniszeit.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/07 lesen.