oder Ein Wort und seine tiefere Bedeutung
Mehr als zwei Jahrzehnte lang arbeitete Bärbel Effe in einer Wolfsburger Krippe so, wie sie es in ihrer Ausbildung als Kinderpflegerin gelernt hatte. Dann traf sie die Fortbildnerin Christel van Dieken, und alles wurde anders... Erika Berthold berichtet.
Vor zwei Jahren war Bärbel Effe krank. In einer Reha-Klinik kurierte sie sich aus. Jeden Tag sah sie an einer Wand der Klinik ein riesengroßes Bild, das sie faszinierte. »Ich stellte mich davor und versuchte herauszufinden, wie es gemalt ist. Ich fasste es sogar an und merkte: Es kann nur aus Sand und Klebstoff sein.«
Das Bild, vielleicht war es eine Landschaft, hatte sich in Bärbel Effes Kopf festgesetzt. Vor allem des Sandes wegen. Als sie wieder zurück nach Wolfsburg kam, wollte sie die Technik mit den Kindern ausprobieren.
»Wir mischten Sand mit Tapetenkleister, bespannten einen Rahmen mit Bettlaken und trugen die Masse auf. Es wurden derartig tolle Bilder, dass die Krippenleiterin sich wünschte: Wenn ich in Rente gehe, möchte ich so ein Bild als Abschiedsgeschenk haben.«
Jedes Kind aus Bärbel Effes Gruppe hatte ein Sandbild gemacht, es zur Freude der Eltern mit nach Hause genommen – und nun stand Frau Effe da. Nichts mehr vorhanden. Kein Geschenk.
Ein Misserfolg?
Ungefähr ein Jahr später – der Abschied der Leiterin nahte – fiel Bärbel Effe die Sandbilder-Aktion wieder ein. Aber sie hatte vergessen, wie sie den Tapetenkleister gemischt hatte, welchen Sand sie benutzt hatte, was für Farben...
»Macht nichts«, sagte sie zu den Kindern, »wir nehmen, was da ist.« Sand aus der Sandkiste, Tapetenkleister aus der Dose.
Doch der Kleister war dünner, der Sand war wie Pulver, dazwischen auch noch Kieselsteinchen. Die Mischung sah nicht aus wie die im vorigen Jahr. Egal.
Leon, noch nicht drei Jahre alt, rührte die flüssige Pampe um. Ein bisschen Sand dazu, noch ein bisschen mehr... Plötzlich sagte er: »Ich will arbeiten.«
Vorsichtshalber probierte er, weil Bärbel Effe ihn darum bat, die Mischung auf Papier aus und ließ den ersten Klecks fallen – ein dünnes Rinnsal. Bärbel Effe sagte nichts.
Leon stippte den Finger in die Sandsuppe, schaute ihn an und fand: Irgendwas stimmt nicht. Aber er ließ sich nicht beirren, nahm mehr Sandpampe, griff nach dem Schaber, verteilte die farbige Pampe, nahm einen Löffel und setzte weitere Kleckse auf das Papier. Bärbel Effe sagte nichts.
Irgendwann hatte der Junge keine Lust mehr, und das Pampe-Bild wurde zum Trocknen beiseite gelegt. Es trocknete drei, vier Tage lang. Es trocknete eine Woche, aber richtig fest wurde es nicht. Da war endgültig klar, dass die Mischung misslungen war. Als Geschenk eignete sich das Bild nicht, meinte Bärbel Effe.
Kein Misserfolg
Leon mochte sein Bild. Eines Tages war es doch getrocknet, man konnte es einrahmen und aufhängen.
Der Junge hatte vergessen, was die Kinder im Jahr zuvor für grandiose Sand-Bilder fabriziert hatten. Und was Bärbel Effe sich als Geschenk für die Leiterin vorstellte, das war ihm erst recht egal. Er wusste nichts davon. »Für mich war das eine Art Misserfolg«, sagt Bärbel Effe. »Für Leon nicht. Er hatte nämlich gearbeitet.«
Arbeiten
»Irgendwann hörte ich mal, wie eine Kollegin sagte: Wir malen heute! Jeder malt irgendwann und irgendwie, dachte ich, das ist doch nichts Besonderes. Deswegen sagte ich zu den Kindern, wenn wir uns mit Farbe und Material beschäftigten: Wir arbeiten.
Ich hatte den Eindruck, dass dieses Wort die Aktion aufwertet. Die Kinder fühlen sich, wenn sie arbeiten, den Eltern ebenbürtig, die ja auch zur Arbeit gehen, mutmaßte ich. Ich beobachtete, dass die Motivation der Kinder anders ist, wenn sie arbeiten, also wichtig sind, nicht gestört werden dürfen. Irgendwann bürgerte sich das ein: Wir arbeiten.«
Wie kam es dazu? Hatte Frau Effe die Kinder morgens gefragt: Wollt ihr jetzt rausgehen und spielen? Oder drin bleiben und arbeiten?
»Ja«, sagt Bärbel Effe. »Und da wollten immer alle arbeiten. So war das, bis ich in der Krippe aufhörte. Die Kinder kamen von sich aus, und denen, die sich früh nur mühsam von den Eltern trennen konnten, fiel es leichter, wenn ich sagte: Du, wir haben heute ganz viel vor, wir wollen arbeiten... Ich denke, sie merkten, dass sie gebraucht werden, dass wir schon auf sie warten, weil sie was können. Sie sahen es ja selbst, in den Spiegeln.«
Es gab Spiegel im Gruppenraum, in denen die Kinder sich gern beim Arbeiten betrachteten, sich ihre Hände vorzeigten, mit all den Farb- oder Kleisterresten dran. Arbeiterhände.
Kontakt
Bärbel Effe
Tel.: 05361/67192
Fax: 05361-2764359
Über Bärbel Effes Arbeit mit Krippenkindern berichtete Erika Berthold auch in Heft 3-4/06: »Ich male! Nicht du!«
www.freinet.paed.com
Die Unterscheidung zwischen Arbeit und Spiel und deren Zusammenführung in der »Arbeit mit Spielcharakter« zeichnet den Ansatz von Célestin Freinet aus. Diese Website bündelt eine Vielzahl an Informationen über den großen Pädagogen.
www.sandbild.at
Sandbilder einer etwas anderen Art sind faszinierende Kunstwerke und auf dieser Seite zu betrachten.
www.zzzebra.de
Das Web-Magazin für Kinder bietet interessante Ideen und Anleitungen zum Thema »Sandbilder«. Bis ans Ende der Seite scrollen und in die Suchmaske »Sandbilder« eingeben.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/06 lesen.