Spinnen – schnell, klein und überall
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen. Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher in einer Serie, die mit diesem Beitrag beginnt, verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor.
Biologie und Ökologie
Allein in Mitteleuropa wird die Zahl der verschiedenen Spinnenarten auf etwa 850 geschätzt. Weltweit vermutet man an die 30 000 Arten. Die Tiere gehören zoologisch zum Stamm der Gliederfüßer und hier wiederum zur Klasse der Spinnentiere – zusammen mit Skorpionen, Weberknechten, Milben und einigen anderen Gruppen, die in Europa nicht vorkommen.
Gemeinsam ist allen Tieren dieser Klasse, dass sie acht Beine besitzen (Insekten haben stets sechs Beine!) und ihr Körper zweigeteilt ist: Am meist ziemlich kleinen Vorderkörper befinden sich die Mundwerkzeuge, sechs oder acht Einzelaugen und die acht siebengliedrigen Beine (Gliederfüßer!). Der oft recht dicke Hinterkörper, den ein dünner Stiel mit dem Vorderkörper verbindet, enthält die Atmungs-, Verdauungs- und Geschlechtsorgane, die Spinndrüsen und beim Weibchen auch Raum für die zahlreichen Eier, die später in einem eigens gesponnenen Kokon abgelegt werden.
Alle Spinnen leben räuberisch. Das heißt, sie machen auf unterschiedliche Weise Jagd auf andere Kleintiere und sind dabei nicht sehr wählerisch. Viele von ihnen bauen Netze, die ihrerseits wieder ganz verschieden aussehen können. Etliche Arten – etwa die sehr gut und relativ weit sehenden Springspinnen – erbeuten ihre Opfer aber mit einem gezielten Sprung und können deshalb auf den Bau von Netzen verzichten.
Da Spinnen Nahrung nur in flüssiger Form aufnehmen können, wird die Beute regelrecht aufgelöst, wobei das eingespritzte Gift eine wichtige Rolle spielt: Spinnengift enthält bereits Verdauungsenzyme. Da es weniger der Abwehr von Feinden als vielmehr der Vorbereitung der Nahrungsaufnahme dient, ist es für uns Menschen meist weniger schädlich als angenommen. Sogar unter den tropischen Spinnen sind nur wenige Arten für den Menschen wirklich gefährlich.
Erst in den letzten Jahren wurde eingehender erforscht, wie Spinnen sich orientieren. Man fand heraus, dass sie ihre Augen mittels Muskelbewegungen getrennt steuern, so dass sie gleichzeitig in verschiedene Richtungen schauen können. Außerdem spielt die Wahrnehmung von Temperatur und Feuchte für ihr Verhalten eine große Rolle. Besonders verblüffend ist aber eine Entdeckung des Wiener Neurobiologen Friedrich G. Barth: Spinnen besitzen ein Sinnesorgan, das sonst in der Tierwelt offenbar nirgends vorkommt: das Spaltsinnesorgan. Dieses Organ besteht aus feinen Spalten im Chitinskelett der Tiere, die wie die Saiten eines Musikinstruments nebeneinander liegen und über deren Schwingungen die Spinne feinste Vibrationen erkennen und unterscheiden kann – selbst einen paarungsbereiten Partner.
Seit längerem sind verschiedene Jagdmethoden der Spinnen bekannt: Trichterspinnen, zum Beispiel die Labyrinthspinne (Agelena labyrinthica), spinnen im locker und schütter bewachsenen Grasland große Trichternetze mit vorgelagerten Gespinstdecken. Nach hinten gehen die Trichter in Wohnröhren über, in denen die Tiere darauf warten, dass sich Opfer in den Gespinsten vor den Trichtern verfangen. Da sich die Jagdmethoden verschiedener Spinnenarten teils stark unterscheiden, können viele verschiedene Arten nebeneinander leben und sich dieselbe ökologische Nische teilen. Auch das erklärt die große Vielfalt und Zahl von Spinnen in den einzelnen Lebensräumen.
Jede Spinne besitzt mehrere verschiedene Spinndrüsen, mit denen sie spezielle Spinnfäden herstellen kann: Klebe-, Halte- oder Sicherheitsfäden und Fäden, die sie für ihre Eikokons benötigt. Die Eigenschaften der »Spinnenseide« geben den Forschern immer noch zahlreiche Rätsel auf. In der Bionik, die Biologie und Technik verbindet, wird gezielt und interdisziplinär nach solchen natürlichen Strukturen und Prozessen gesucht, die Vorbilder für technische Anwendungen sein können. So inspiriert die Elastizität und Reißfestigkeit der Spinnfäden die Entwicklung von Seilen, und man versucht, die Fähigkeit mancher Spinnen, mittels feinster Härchen an den Beinen völlig glatte Wände zu erklimmen, bei der Entwicklung neuer Haft- und Klebeverfahren zu nutzen.
Morgendlicher Tau macht Spinnennetze besonders gut sichtbar: Die feinen Wassertröpfchen reflektieren und brechen das Licht. Überrascht stellt man dann plötzlich fest, wie viele Spinnen auf einer Wiese oder am Waldboden leben. Aber auch die Klebetröpfchen der Fangfäden bestimmter Netze brechen und spiegeln das Sonnenlicht mitunter in verblüffender Weise.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/06 lesen.