Zaubern als Medium und kreatives Element
Menschen sind von Natur aus neugierige Wesen und überraschte Gesichter nach einem Zaubertrick unvergesslich. Jahrelang war Denise Nobis mit verschiedenen Pädagogischen Zirkussen in ganz Deutschland unterwegs. Inzwischen ist sie sesshaft und entzückt die Kinder ihrer Kölner Kita mit dem einen oder anderen Trick. Seit sie auch uns im Rahmen des jüngsten Fachtags für eine Gewaltfreie Kindheit in Berlin ein Lächeln ins Gesicht zauberte, wollten wir mehr über ihre Kunst erfahren. Sie sagte Ja, und wir sagten: Bühne frei für Denise Nobis!
Zwanzig Kinder zwischen drei und sechs Jahren wuseln durch den Gruppenraum. Es ist laut, und jedes Kind scheint mit einem anderen Bedürfnis unterwegs zu sein. Während die einen ihre Kreativität am Maltisch ausleben oder darauf warten, dass ich ihnen etwas vorlese, toben andere wild umher und wollen endlich raus in den Garten. Mittendrin ich, noch ganz am Anfang meiner Zeit als Erzieherin, allein und im Grunde überfordert. Personalmangel lässt grüßen … Und dann stand auch noch dieses weinende Kind vor mir. Seine Klage »das ist mir zu laut, ich will nach Hause!« konnte ich nur zu gut verstehen, denn genau das wünschte ich mir in diesem Moment ebenfalls. Um gegen die Lautstärke anzukommen, atmete ich tief ein und mit einem kräftigen Verzweiflungsbrüller aus. Für einen kurzen Moment waren alle still – doch gleich darauf nahmen die Aktivitäten und mit ihnen die Lautstärke wieder Fahrt auf. Dass ich bereits eine viel bessere Strategie als »Lautstärke gegen Lautstärke« kannte, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.
Faszination Magie
Bevor ich begann, als Erzieherin und später als Leitung in einer Kita zu arbeiten, war es meine Leidenschaft, als Zirkuspädagogin mit Magie und Zauberei Kinder und manchmal auch Erwachsene zu faszinieren und zu inspirieren. Der Moment der überraschten Gesichter, wenn ein Trick gezeigt wurde, gehört für mich bis heute zu den größten. Allein die Gesichter von Kindern, die gerade selbst erfolgreich einen Zaubertrick vorgeführt haben und Applaus ihres Publikums erhalten, können diesen noch toppen. Kinder wie auch Erwachsene sind von Natur aus neugierige Wesen. Zauberei ist dabei ein ganz besonderes Ereignis. Es ist ein bisschen wie beim Betreten einer neuen Welt. Vollständig erfasst wird Zauberei erst gegen Ende der sogenannten Magischen Phase, also ab der Zeit, wenn Kinder so viel Erfahrung mit der Welt gesammelt haben, dass sie ins Staunen kommen, weil sich etwas anders verhält, als es zu erwarten wäre. Die Magische Phase benennt einen Teil der Entwicklungsphase des Denkens und Handelns von üblicherweise zwei- bis fünf-, in manchen Fällen auch sechsjährigen Kindern. Der Schweizer Biologe und Pionier der Entwicklungspsychologie beschreibt sie auch als Phase des präoperationalen Denkens. Für das Kind ist während dieser Phase alles möglich, was die Grundlage bildet für Wünsche wie sprechende Tiere oder fliegende Menschen, das Mitgefühl mit dem frierenden Schneemann und die Angst vor Monstern unter dem Bett oder dass der Staubsauger jemanden einsaugen könnte.
Anders als erwartet
Ab dieser Zeit, also um das fünfte Lebensjahr herum, kann Zauberpädagogik die Fantasie und Kreativität der Kinder fördern, ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufbauen und dazu beitragen, eigene Fähigkeiten zu erkennen und zu verbessern. Wer selbst schon mal einen Zaubertrick geübt hat, weiß, dass Zaubern auch die Grob- und Feinmotorik fördert. Die kleinen detaillierten Bewegungen sorgen dafür, dass ein Trick funktioniert. Die großen Bewegungen dienen der Ablenkung und damit der Tarnung des Tricks. Dank ihrer natürlichen Neugierde haben Kinder eine hohe Eigenmotivation, Zaubern zu lernen, und genau das können wir uns in bestimmten Situationen für unsere pädagogische Arbeit zunutze machen. Ein Kind beim Üben und Präsentieren eines Zaubertricks zu beobachten und zu dokumentieren, kann z.B. eine interessante Grundlage für das nächste Entwicklungsgespräch sein. Für mich als Leitung ist die Zauberei auch ein Medium, mit dem ich auf magische Weise Beziehungen mit Kindern aufbauen und halten kann, auch wenn wir uns nur hin und wieder begegnen.
Denise Nobis ist Bildungsreferentin und Dozentin für Elementarpädagogik. Nachdem mit verschiedenen pädagogischen Zirkussen durch Deutschland reiste, leitet sie heute eine Kölner Betriebskita. Ihre Schwerpunkte liegen neben Kommunikation und Elternarbeit auf der Zirkuspädagogik. Akrobatik und die Zauberei sind ihre liebsten Zirkusgenres. Allen, die einmal mit Kindern zaubern wollen, empfiehlt sie das auch schon für das Zaubern mit Kitakindern geeignete Buch »Zaubern in der Grundschule – Magische Zaubertricks für Groß und Klein« von Matthias Kürten und natürlich den Besuch eines Zauberladens, insbesondere wenn die Eigentümer:innen selbst begeisterte Zauber:innen sind.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11-12/2024 lesen.